발라흐와 괴테의 『발푸르기스 밤』의 장면 = Die Walpurgisnachtszene bei Barlach und Goethe

다국어 초록 (Multilingual Abstract)

Ernst Barlach hat Goethes im Faust literarisch verarbeitetes Thema Walpurgisnacht in seinem Bildwerk Goethe, Walpurgisnacht aufgegriffen und ihm einen eigenen kunstlerischen Ausdruck verliehen. Die vorliegende Arbeit untersucht, wie sich das Werk Barlachs mit seiner literarischen Vorlage differenzierend auseinandersetzt und die Thematik der Brockenhexen in einem modernen, kunstlerischen Umfeld malerisch vertieft. Ernst Barlach ist ein vielfachbegabter Mensch. Kennzeichnend dafur ist seine herausragende Fahigkeit, bildnerisch vorgepragte literarische Vorlagen kongenial zu illustrieren. So entspringt es wie einem inneren Zwang, dem Inhalt und der semantisch umgrenzten Bedeutung des Wortes das Offene und Anschauliche des Bildes zur Seite zu stellen. Die eigenen Bearbeitungen fremder Autoren, deren Dichtungen Barlach bildnerische Gestalt gibt, lassen aber immer auch das Ausformulieren und Absichern eigener Grunduberzeugungen erkennen. Seine Illustrationsthemen zeugen daher immer von einer ausgepragten Bereitschaft, sich mit literarischen Vorlagen und Stoffen zu identifizieren. In den fruhen zwanziger Jahren findet die bildnerische Auseinandersetzung Barlachs mit Goethe durch die Entstehung zweier großer graphischer Illustrationszyklen ihren kunstlerischen Hohepunkt. 1923 erscheint im Paul Cassirer Verlag die Mappe Goethe, Walpurgisnacht mit 20 Holzschnitten. Auf unterschiedliche Weise setzt sich Barlach mit dem Text Walpurgisnacht auseinander. Die Mehrzahl der Holzschnitte steht mit Goethes Worten in Verbindung, andere greifen erweiternd uber den Text hinaus, wieder andere sind frei erfunden. Es geht Barlach in seiner Bearbeitung der Walpurgisnacht weniger um eine textbezogene Bildhaftmachung des literarischen Materials als vielmehr um die Sichtbarmachung und Belebung einer Welt, die zwischen Realitat und Unwirklichkeit liegt. Er stellt damit der Dichtung eine gleichwertige Bildumsetzung zur Seite, in der nicht der Handlungsfortgang bebildert, sondern die spukhaft phantastische Stimmung zum eigentlichen Inhalt wird. In ihr spiegelt sich das Halbbewusste der Traum- und Triebwelt als wilde Lusternheit, die offensichtlich auch genussvoll erlebt werden kann. Die Illustrationen Barlachs werden viel starker als der literarische Text mit der Energie intimster Wunsche und sexueller Phantasien aufgeladen. Im Zustand der Entgrenzung einer taumelnden Hexenorgie findet Barlach den großen Gegenentwurf zur Enge der burgerlichen konventionellen Welt. Es gelingt ihm, durch vielfaltige Bewegungsmotive den nachtlichen Trubel der Teufelsgesellschaft wiederzugeben und vor diesem Hintergrund die Gestalten der eigenen Phantasie mit den “Goetheschen Hexen und Teufeln” im Bild uberzeugend zusammenzufugen. Er entwirft eine ganze Palette unterschiedlicher Typen und Charaktere und erweckt auf diese Weise Goethes Nachtgestalten zu neuem Leben. Was Barlach an der Walpurgisnacht fasziniert, ist die damonisch-spukhafte Stimmung, welche er vollends einzufangen vermag. Dass ein solcher Kunstler wie er irgendwann zur Illustration der Walpurgisnacht finden musste, scheint folgerichtig. Seine Formensprache hat oft einen humoristischen Charakter, in der Mehrheit der Blatter ist sie jedoch skurril bis grotesk, das wuste Treiben der Hexen auf dem Blocksberg beschreibend. Barlach spurte, dass sich Goethe in besonderer Weise dem bildkunstlerischen Schaffen gegenuber geoffnet hat. Seine Bildubertragungen folgen dem Text oft bis in alle Einzelheiten. Fur jede Vorstellung des Dichters stellt sich ein bildnerisches Aquivalent ein. Mit dieser Fahigkeit zur Sichtbarmachung komplexester literarischer Werke und mit der uneingeschrankten Bereitschaft zum Aufnehmen und zur schopferischen Versenkung in die literarische Vorstellungswelt Goethes hat Ernst Barlach die aussagestarken und phantasiebelebenden Illustrationen zu Goethes Faust erschaffen konnen.